oder: Pain is temporary, glory ... lasts forever
von Janet
Beim Triathlon in Stolzenau fiel mir der Flyer von Müden/Örtze in die Hände. Nur 450 m schwimmen, sehr attraktiv für einen Seepferdchen-Maximal-Besitzer wie mich. Startzeit 14 Uhr, 2ter Pluspunkt. 2:0 für Hinfahren. Auf die letzten Finisherzeiten geschaut: 1:30 als „schlechteste Zeit". Schluck, das könnte hart werden. Kurz den Ort gegoogelt ... 80 km. Ach nee, zu weit weg. 2 Punkte für Nichtfahren.
Dann kam eine Email von Jörg, dass er teilnimmt und Maren fragte mich auch. Okay, machen wir mit. Übung macht ja bekanntlich den Meister ... Und kleine familiäre Sportevents sind mir persönlich lieber als Großveranstaltungen.
Aber die Vorzeichen standen denkbar schlecht.
Donnerstag ging gar nichts beim Freiwasserschwimmen, ich bekam nach 50 m Schnappatmung und dachte ich kann keinen Meter mehr weiterschwimmen.
Sigrid erbarmte sich meiner und schwamm mit mir kleine Runden. Als ich auf die Uhr schaute und sah, dass wir zumindest 500 m geschafft hatten, nahm mir das ein wenig die Angst vor dem gefürchteten Freiwasser. Ich wollte unbedingt ohne Neo schwimmen, ich hasse diese Wurstpelle ... aber Erik redete mit Engelszungen auf mich ein, bitte den Neo am Sonntag anzuziehen. Okay, ich höre auf den weisen Trainer (ich habe nicht alt geschrieben) und werde die 2te Haut anziehen.
Nur hatte ich bis jetzt nicht einmal schnelles Ausziehen geübt und habe sogar einmal dabei einen Wadenkrampf bekommen. Die Freude stieg! (Achtung, Sarkasmus). An ein Temperaturwunder von 30 Grad am Sonntag konnte ich auch nicht hoffen.
Am Freitagabend klebte ich dann mehr oder weniger liebevoll den Neo mit Neokleber an seinen gerissenen Stellen.
Und als würde es sich als gute Tradition entwicklen, hatte ich wieder 2 Tage vor dem Wettkampf einen Platten. Ich schrieb Maren, dass ich gerade nach 50 km Radtour mit einem Platten belohnt wurden bin. Maren wusch mir sofort den Kopf: „Bist Du wahnsinnig, du sollst 2 Tage vor dem Wettkampf keine großen Touren mehr machen ..."
Aber, aber .... ich wollte doch nur ein wenig für meine große Radtour nächste Woche üben. Egal, jetzt war es zu spät.
Den Samstag verbrachte ich dann auch fast nur in der horizontalen Lage. Meine Henkersmahlzeit verbrannte mir und ich versuchte bei einem Horrorfilm (es ging nicht um Freiwasser) im Kino den Start im Neo am Sonntag bestmöglich zu verdrängen.
Das klappte auch ganz gut. Während Hameln mich mental schon Wochen vorher stresste, blieb ich doch gefühlt Sonntag ganz entspannt. Noch.
Die erste WhatsApp des Tages kam von Jörg: Gewitter zur Startzeit in Müden. „Nein, scheiße, dass will ich nicht. Jetzt bin ich auf Wettkampf eingestellt", dachte ich. Ich überlegte kurz den „Freizeit-Nightmare before Christmas-Badeanzug" für einen alternativen Stopp in der Therme in Soltau einzupacken. Nein, das wäre eine selbsterfüllende Prophezeiung.
Mit Peter stieg ich ins Auto, ein Blick auf das Thermometer: 19 Grad in Nienburg. Hmm, okay, wenigstens kein Regen. Je mehr wir uns den Ziel näherten, desto mehr fiel die Temperatur. In Müden 13 Grad und Regen. Geilomat. Als wir die Räder eingecheckt hatten, kam auch noch ein herber Regenschauer runter. Vielleicht lag es aber auch an mir, zur Zeit ist mein Lieblingslied und Klingelton „Rain" von Projekt Pitchfork.
Mir fiel dann ein Mann mit dem Shirtspruch auf: „Pain is temporary, glory ... lasts forever!"
Das passte heute ganz gut.
Aber der Regen hörte auf, nur die Sonne wollte nicht wirklich raus kommen. Also rein in die Wurstpelle. Das ging erstaunlich gut und dann ab zum Start. Das waren dann gefühlt 1 km Fussweg. Jetzt kommt ein Fehler von mir: ich wärmte mich nicht auf. Auf dem Weg zum Start fielen mir viele Schwimmer in normaler Badekleidung auf, zwei Jungs in knappen Shorts witzelten noch mit mir. „Geh nach vorne, du hast doch einen Neo." Ja, ein Neo macht schon Eindruck ;-).
Eine nette Dame mit roten Haaren sagte das gleiche, sie würde eh nur Brustschwimmen. Aber nein, ich bleibe hinten. Ich stieg ins Wasser und das war mehr Schlammbad als See.
Ich hatte eine Verletzung am Zeh und merkte auf einmal einen stechenden Schmerz. Hhmm, die Wunde war aufgegangen. Ich dachte an: „Pain is temporary, glory ... lasts forever!"
Startschuss. 10 Meter Kraulen und ich wollte am liebsten aufgeben. Die Brille beschlug, dass Ziel war gefühlt in 2 km Entfernung. Ich war in meiner persönlichen schwarzen Hölle aus Schlamm gelandet.
„Nicht aufgeben, Janet, nicht aufgeben", sagte meine Stimme im Kopf. (Ich glaube sie hatte die Tonlage von Erik)
Aber an linker Arm oder Langmachen war nicht mehr zu denken, irgendwann bin ich dann sogar nur Brust geschwommen. Ich hielt mich an eine Brustschwimmerin in grüner Badekappe und neben mir waren die lustigen Jungs, die sich beim Schwimmen noch unterhielten.
Dann nach gefühlten 30 Stunden (es waren in etwa 12 Minuten) war das Ziel da. Und ich war nicht letzte. Peter, der den Start beobachtet, sagte, er hätte fast länger zu Fuß vom Start zum Ziel gebraucht, als die ersten Schwimmerfinisher. Die waren in weniger als 5 Minuten (!) da. Ich denke, es handelt sich dabei bei um mutierte Menschen mit Schwimmhäuten. Es waren alles Staffelteilnehmer und sie meinten zu Peter, dafür können sie nicht Radfahren oder Laufen - wie beruhigend.
In der Wechselzone quälte ich mich aus der Pelle, Peter kommentierte das nachher mit: "Es gab noch genug Leute, die nach Dir aus dem Wasser gekommen sind, aber die waren schneller aus der Wechselzone". Jaaaaaa, ich wollte langsam machen.
Das Radfahren lief erstaunlich gut. Zur Abwechslung habe ich mal überholen können. Während ich in Hameln absoluten Respekt vor der gelben Karte hatte und mich vor jedem Überholer zurückfallen ließ, dachte ich jetzt: "Nicht mit mir. Jeden den ich kriegen konnte, überhole ich". Hinter mir schrie ein älterer Mann: „Los die vor dir packst Du auch, die kommt aus Hoya." (Warum das relevant ist, weiß ich nicht). Also überholten wir die Dame aus Hoya.
Der Herr versuchte mich zu jagen und fragte, als er es nicht schaffte, „ob ich das Tempo halten kann." „Ich versuche es", krächzte ich und weg war ich.
Vor mir sah ich 2 Männer mit Radkorb und Damenrädern. Was machen „normale Menschen" hier auf der Radstrecke? Und warum waren die so schnell? Wenn ich die nicht packe, wird Mattin mit mir schimpfen. Also ran an die. Und wer war es, die beiden Jungs mit den Badeshorts. „Respekt" rief ich nur, als ich sie überholte und die beiden sagten: „Wir merken uns deine Nummer, bis nachher!" Vor mir die Dame mit dem roten Haaren, auch sie überholte ich, als sie langsam wurde. „Eh, schnelle Maus", sagte sie zu mir, nahm aber das Tempo auf und überholte mich bei der nächsten Gelegenheit.
So ging das zwischen uns ein paar Mal hin und her. Aber beim nächsten Anstieg konnte ich sie packen.
In der Wechselzone habe ich mich dann einmal kurz verlaufen (auch Tradition) und dann ab auf die ebene Laufstrecke. Nach 500 m überholte mich ein Mann mit wehendem Shirt und winkte: „Ich sagte doch, wir sehen uns wieder." Einer der Herren in Badeshorts. Der ältere Mann catchte mich kurz vorm Ziel. Aber die Dame in rot hat es nicht geschafft. Nach der km Zeit von Müden müsste ich eine 5:10 gelaufen sein, nach meiner Uhr eine 5:40. Egal, besser als Hameln. Im Ziel stand dann 1:24 auf dem Tacho. Super! Unter 1:30 und nicht Letzte!
Jörg finishete mit 1:10:03, Maren (nach langer Pause) mit 1:08:53 auf Platz 6 in der Gesamtdamenwertung, Respekt!
Platz 15 für uns in der Mannschaftswertung.
An sich ein toller Triathlon, man wird überall angefeuert und ich habe keinen starken Konkurrenzkampf wie in Halmen gemerkt. Das war wirklich schön. Aber .... der See,.. die Hölle.
Trotzdem bin ich megazufrieden.
In der Umkleide sah ich denn das Blut, das sich unter meinen Füßen ausbreitete; ich hatte mir beim Schwimmen eine zweite Schnittwunde an dem Zeh zugefügt.
Pain is temporary, glory ... lasts forever.