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von Thorsten

80 km von Göttingen aus auf den Brocken laufen. Vor zwei Jahren habe ich mich dieser „Herausforderung“ schon einmal gestellt. Damals war die Brocken-Challenge mein erster Ultra-Lauf (also weiter als eine Marathondistanz) – und es war unfassbar herausfordernd!BC 2020 Barbis

In diesem Jahr war das Wetter perfekt, die Strecke war bekannt und mittlerweile hatte ich schon ein paar Ultraläufe absolviert. Ich wusste, was auf mich zukommt und konnte mich doch eigentlich gut darauf einstellen. Also sollte die Challenge diesmal wesentlicher einfacher sein!

Es ist 6 Uhr morgens, leichte Minusgrade, klare Luft, wolkenlos, Vollmond. Zusammen mit 200 Startern laufe ich im Göttinger Wald los. Freunde und Verwandte feuern mich bei der ersten Verpflegungsstation an. Ich nehme mir sogar einen Augenblick zum Quatschen. Ein phantastischer Sonnenaufgang. Die erste Hälfte soll und will ich deutlich langsamer laufen als vor zwei Jahren, damit ich diesmal noch ausreichend Kraft für die langen Anstiege im Harz habe. Martin wartet bei der Marathondistanz und ist ganz zufrieden. Ich bin auf den ersten 40 km zwar „nur“ 8 Minuten langsamer, fühle mich aber deutlich besser als vor zwei Jahren. Also bisher ist alles im grünen Bereich. Straßenschuhe aus, Crossschuhe an und weiter geht es auf die zweiten 40 km.

BC Höhenprofil


Die
zweite Hälfte beginnt mit dem berüchtigten „Entsafter“ (s. farblicher Abschnitt), einer ca. zehn Kilometer langen Rampe. 2018 war dieses Teilstück fast das Ende für mich – sämtliche „Körner“ waren damals verbraucht. In diesem Jahr ist der Forstweg schneefrei. Außerdem bin ich diesen Streckenabschnitt in der Vorbereitung nochmals gelaufen. „Entsafter, du kannst kommen – diesmal rocke ich dich!“

Ich habe den Entsafter bezwungen! In einer Stunde bin ich die knapp 400 Höhenmeter hinaufgeflogen. Damit war ich auf diesen paar Kilometern über eine halbe Stunde schneller als 2018.

„Wenn Du Dich während eines Ultras auf einmal gut fühlst, keine Angst, das geht vorbei.“BC Verpflegung

Allerdings hätte ich zu dem Zeitpunkt vielleicht doch ein wenig berücksichtigen müssen, dass noch einige Kilometer und vor allem Höhenmeter vor mir liegen. Die folgenden zehn Kilometer waren mehr wellig, nicht ausschließlich berghoch, aber meine Pace war leider nicht schneller als auf dem Anstieg im Entsafter. Als Martin mich am Verpflegungsstand bei Kilometer 63 sieht, schaffe ich es kaum noch ein hoffnungsfrohes Lächeln zu zaubern. 45 Minuten war ich zu diesem Zeitpunkt schneller als vor zwei Jahren. Ich hatte also über eine Dreiviertelstunde auf einer Distanz von knapp 20 Kilometern herausgelaufen. Dass diese Aktion nicht ganz schlau war, erschließt sich im Nachhinein von selber!

BC 2020 LausebucheDie Challenge geht weiter – bis zum Brockengipfel habe ich noch 17 km und 700 (!) Höhenmeter vor mir. Ich kämpfe und zwar genauso wie vor zwei Jahren.

 

 

 

 

BC Ziel

Nach 8 Stunden und 18 Minuten bin ich im Ziel, 45 Minuten schneller als vor zwei Jahren, aber genauso „geschafft“. In diesem Jahr bin ich 60 km mehr oder weniger „gut“ gelaufen, immerhin 20 km mehr als 2018 – vielleicht schaffe ich irgendwann mal noch weitere 20 km „locker“ zu absolvieren.

BC MedailleIMG 0609

Die Finisher-Medaille ist super schön. Die Rückseite ziert ein passendes Zitat von Goethe: „Von der Gewalt, die alle Wesen bindet, befreit der Mensch sich, der sich überwindet.

Nach einer Pause mit Pasta und Bier im Goethesaal beim Brockenwirt wandern Martin und ich wieder 7 km zurück zum Auto.BC Abstieg

Resümee

Im Gesamtklassement habe ich den 12. Platz belegt – damit bin ich mehr als zufrieden. Und dennoch wäre noch mehr „drin“ gewesen. Beim letzten Verpflegungspunkt, 7 km unterhalb des Brockengipfels, wurde ich von der ersten Frau überholt. Das ist nun an sich erstmal nichts Besonderes. Aber die war locker, happy, fröhlich und höchst motiviert den Streckenrekord zu knacken – das hat sie auch geschafft. Sie hat sich noch umgeschaut, ob ich in der Lage bin den „Hasen“ zu spielen. Aber ich habe abgewunken: „Keine Chance – ich bin platt“. Im Nachhinein bin ich nur vier Minuten nach ihr über die Ziellinie gelaufen. Hätte mir das aber am Verpflegungspunkt nicht zugetraut. Und diese Situation wurmt mich, denn sie zeigt, was der Kopf, die Einstellung alles bewirken kann.

In an ultra race the physical power ist 90 %, the mental stuff are the other 90 %.

Dieser Kampf mit sich selber, Grenzen verschieben, die nur im Kopf bestehen - das ist für mich die Faszination am Ausdauersport! Und diese Herausforderung hat mich auch außerhalb des Sports stärker gemacht. Die ersten 90 % passten heute, bei den zweiten 90 % ist noch Luft nach oben. Aber eines steht auch fest, einen Ultralauf ohne Qual – den gibt es nicht.

Sub 8 ist möglich! (sage ich jetzt, wo der Muskelkater nicht mehr ganz so schmerzt). BC – ich komme wieder.