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von Thorsten

Zieleinlauf: Immer wieder kamen die Zuschauer auf uns zu, klatschen uns ab, umarmten uns, sie waren begeistert. In einem wahnwitzigen Finish bin ich mit einem Athleten den letzten Berg hinuntergerannt. Vollgas. Nebeneinander. Gleichzeitig durchs Ziel. Und das nach fast 52 Kilometern und ca. 2.000 Höhenmetern.

Streckenprofil

Bis dahin war die „Vorgeschichte“ jedoch recht holprig.

Freitag (07.06.) habe ich lange gewartet bis der Pfingstverkehr abebbte und bin spät abends zum Zwischenstopp nach Göttingen gefahren. Die Autobahn war frei, dennoch war ich recht müde. Am nächsten Tag ging um 5.30 Uhr mein Wecker. Noch zwei Stunden Fahrt bis zum Thüringer Wald. Ich hatte nicht besonders gut geschlafen. Hatte eigentlich gar keinen Appetit. Mit Mühe zwei Toast gegessen. Während der Autofahrt immer mal wieder einen Löffel Porridge. Das flaue Gefühl im Magen blieb.

Um 9 Uhr war der Start des Ultra-Marathons. Offiziell 50 Kilometer durch den Thüringer Wald. Ein kleines aber durchaus gutes Läuferfeld. Viele Sportler aus der Region und mit Erfahrungen bei Landschaftsläufen. Der „Rennsteiglauf“ (Ultradistanz 73,9 km), Europas größter Crosslauf findet jährlich hier in der Nähe statt.

Mein labiler Magen blieb. Ich konnte vor dem Start nur wenig von meinem Sportgetränk zu mir nehmen. Das Feeling war mies. Dennoch bin ich zunächst vorne mitgelaufen. Nach ein paar Kilometern musste ich mich jedoch etwas zurücknehmen. Zwei Läufer waren weg. Hinter mir aber viel Luft. Jetzt wurde es ein einsames Rennen. Das erste Energiegel konnte ich gut vertragen, dennoch blieb eine gewisse Unsicherheit.

Ich hatte mir extra eine spezielle Trailrunning Hose mit Innenslip gekauft – um Scheuerstellen zu vermeiden. Hat nicht funktioniert. Es fing „schön“ an zu brennen. Hose hochziehen und den Inhalt sortieren half immer nur für einen kurzen Augenblick.
Für mich war jetzt die Herausforderung nach positiven Gedanken zu suchen. Nichts ist schlimmer beim Ausdauersport als in eine negative Gedankenspirale zu kommen. Ich führte einen inneren Monolog. „Schön, dass ich das mit der Hose jetzt feststelle und nicht erst beim Mont Blanc Lauf. Herrlich, dass es ein wenig windig und somit gut zu Laufen ist. Danke lieber Magen, dass du weiterhin zu mir hältst“. Ich versuchte mich auf die tolle Landschaft mit den Felsen und Bächen zu konzentrieren und machte mir bewusst, was das für ein tolles Privileg ist, hier dabei sein zu können. Das klappte einigermaßen.

Keinen Meter Asphalt wies die Strecke auf, jedoch auch kaum Singletrails und wenig technisch anspruchsvolle Passagen. Die perfekt ausgeschilderte Strecke führte überwiegend über Forstwege. Aber immer hoch und runter. Sehr fordernd. Ich hatte meine Crosschuhe an, normale Laufschuhe hätten vermutlich gereicht. Obwohl es viele und bestens bestückte Verpflegungsstellen gab, hatte ich eine Laufweste an. Neben Getränken, Gels und Energieriegeln hatte ich als Übungsgewicht auch ein Erste Hilfe Set, eine Regenjacke und mein Telefon dabei.
Nach 29 Kilometern, ich war mittlerweile 2:45 Stunden unterwegs, kam der längste Anstieg. Über 450 Höhenmeter. Mehr als 4 km stetig bergauf. Ziel des Anstiegs war der Inselberg mit 920 m Höhe. Anstrengend!!! Ziemlich ausgelaugt gönnte ich mir bei der Verpflegungsstelle auf dem Gipfel eine etwas länge Verschnaufpause. Kartoffeln mit Salz – das war super! „Studentenfutter“, Schmalzbrot, Obst, Wasserflaschen aufgefüllt und weiter. Nur noch ein Halbmarathon.

Pic01Kurze Zeit später -bei Kilometer 37- kam ein Läufer von hinten. Jung, athletisch, mit flotten Schritten. Noch war ich ja Dritter. 6 km sind wir mehr oder weniger locker nebeneinander gelaufen. Er hat erzählt. Ich konnte nur kurz antworten. Christian Koch, Jahrgang 1985. Augenscheinlich war er klar der stärkere Läufer, aber ich habe gekämpft. Ich blieb dran! Bei km 43 begann der nächste Anstieg. 3 km kontinuierlich bergauf. Die 200 Höhenmeter waren zu diesem Zeitpunkt schon ein ganz schönes „Brett“. Aber ich hatte einen guten Rhythmus. Lief sogar vorweg. Christian aber direkt hinter mir. Bei Kilometer 46 hatten wir bereits 1.995 Höhenmeter gesammelt. Bis auf ein paar kurze Gegenanstiege sollte es jetzt nur noch abwärts ins Ziel gehen. Nur „abwärts“ kling einfacher als es nach 46 km tatsächlich ist. „Eigentlich“ schmerzen die Oberschenkel und jeder Schritt den man abfangen muss tut weh. Jetzt war ich aber mit meiner Leistung auf den letzten Kilometern recht zufrieden und mit meinem Mut. Immerhin hatte ich Christian schon 9 km Paroli geboten. Doch er war schneller – zog an mir vorbei. Ein etwas flacheres Stück und ich konnte wieder aufschließen. Weit konnte es nicht mehr sein. Offiziell 50 km und meine Uhr zeigt 48 km! Ich wollte mich nicht abwimmeln lassen. Km 48: meine Pace 4:38 min/km – klar, es ging bergab, aber diese Zeit hatte ich kaum bei einer der vorherigen Abwärtspassagen erreicht. Km 49: Pace 4:09 min/km – ich war vor Christian. Und dann?

Pic02In meinem Kopf wurde irgendein Schalter umgelegt. Ich konnte nicht mehr Denken – oder anders: ich dachte an nichts mehr. Ich spürte nichts mehr. Aus dem „Off“ sah ich nur meine Beine, die in selbstmörderischer Weise immer schneller wurden. KM 50 – Pace 3:04. KM 51 – Pace 2:40 (!). Nach 52 km endlich das Ziel. Im Fotofinish sind wir gleichzeitig über die Ziellinie, unter großem Applaus und begeisternden Blicken der Zuschauer.

Bei der Siegerehrung wurde nur ich auf das Podest gerufen. Zwei Dritte Plätze zu vergeben wäre sicherlich fairer gewesen.

Ein holpriger Start, kämpferische 15 Schlusskilometer und ein furioser Downhill am Ende. 5:05:59 Stunden war ich insgesamt unterwegs. 51,75 km und 1.995 Höhenmeter lagen hinter mir.

Meine Laufweste war völlig salzverkrustet - ein Beleg für die schweißtreibende Angelegenheit. Eine Medaille, Urkunde und zwei gravierte Messer gab es als Präsent. Und das größte Geschenk: Ein sehr zufriedener Thorsten.

Pic03