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von Thorsten

Die Ausflüge zu solchen Events sind unglaublich schöne Mikroabteuer. Das Abenteuer beginnt mit dem Klamottenpacken in der Heimat. Bei meiner Abfahrt war in den alpinen Regionen der Berge noch wechselhaftes Wetter angesagt. Folglich gehörten zum vorläufigen Wettkampfgepäck so ziemlich alle Klamotten die sich in meinen Schrank befinden. GlücksbringerVom luftigen T-Shirt bis zur Daunenjacke und einer dreilagigen Hardshell-Jacke und Hochtourenhose. Handschuhe und Mütze gehörten eh‘ zur Pflichtausrüstung. Und dann die Verpflegung: Gels, Smoothies, Sportgetränk für den Ultra Trail und viele Getränke, Elektrolyte, sowie Nudeln und Reis für die Tage unmittelbar vor dem Wettkampf. Sportuhr, Stöcke, Blackroll, diverse Ladekabel, und die beiden Glücksbringer dürfen auch nicht fehlen. Ganz abgesehen vom Camping-Equipment. Trotz einer mittlerweile guten Checkliste, die ich diesmal auch akribisch abgehakt habe, sind doch noch ziemlich viele Abwägungen anzustellen. Hinzu kam, dass ich auf dem Weg in die Alpen noch einen Sprinttriathlon mit unserer Ligamannschaft in Salzgitter absolviert habe – Zeitfahrrad und Neopren war deshalb auch noch dabei. Das Auto war randvoll.

Anfahrt FurkapassNach dem Triathlon habe ich es fast noch bis Bayern geschafft – erst dann kam die Müdigkeit. In Südhessen habe ich mir dann einen idyllischen Feldweg gesucht – Rennrad vor das Auto gestellt und tief und fest im „Kofferraum“ (das geht bei mir recht gut) meines 1er BMWs geschlafen. Geweckt wurde ich am frühen Morgen vom Starkregen (mal wieder, wie so oft in den letzten Tagen). Nach einem leckeren Frühstück ging es weiter nach Lindau am Bodensee. Eigentlich war nur ein Kurzbesuch bei Freunden geplant, die dort Urlaub machten – daraus wurden 2,5 sehr, sehr schöne Tage!! – Und der Wetterwechsel war auch gekommen. Jetzt war der Sommer da.

Nach dem Zwischenstopp ging es dann weiter in die Schweiz! Über drei Alpenpässe. U.a. auch über den Furkapass. Für mich: Unbeschreiblich schön. Ich war regelrecht berauscht. Das Fahren mit dem wendigen Auto ein Genuss - und dann diese unglaublichen Berge. Sie sind weniger schroff und zerklüftet, dafür mächtig und breit! Alleine für diesen Anblick lohnt sich für mich schon die lange Anfahrt.

Mein Zielort und auch Start/Ziel des SwissAlps 100 ist die Ortschaft Fiesch im Oberwalliser Hochtal Goms, ein von mächtigen Dreitausendern umrahmtes Tal der Rhone. Ausblick Campingplatz

Eine weitläufige Campingwiese mit herrlichen Blicken auf die Berge war mein Quartier. Der geplante Erkundungslauf blieb heute aus. Der Tag war schon zu weit fortgeschritten. Ins Zelt kuscheln und schlafen.

Donnerstag, es herrschte Hochsommer mit über 30 °C. Heute – zwei Tage vor dem Wettkampf fuhr ich ein Stück mit dem Rad und lief die letzten 20 km der Wettkampfstrecke. Diese Wahl sollte sich im Rennen noch als ganz wichtige Entscheidung herausstellen. Sehr viel Trinken, das Wasser jeweils mit Elektrolyten ergänzt und gut essen stand noch auf der Agenda für heute.

Freitag: Zwei Dropbags gepackt, die vom Veranstalter an zwei Verpflegungspunkten transportiert wurden. Wieder vielfältige Überlegungen: was kann ich denn wohl mal so im Rennen brauchen? Ich war ohne Crew unterwegs, es war also niemand vor Ort, der mir notfalls etwas bringen konnte. Abgabe der Dropbags und Abholung der Startunterlagen. Gewissenhaftes Zurechtlegen und Packen aller Rennutensilien. Von einem Freund hatte ich den Tipp für gute Kopfhörer erhalten, die hatte ich dabei, obwohl ich noch nie mit Musik gelaufen war. Eine Freundin schickte mit ihre Playlist – das war dann die Initialzündung, dass ich im letzten Augenblick die Kopfhörer auch in die Rennweste gesteckt habe. Kurze Radrunde, trinken, essen, ausgiebige Muskellockerung mit der Blackroll, duschen, mentale Vorbereitung (die einzelnen Schubladen meiner Kommode im Kopf wurden mit mentalen Tricks gefüllt), das Rennen visualisieren, das Höhenprofil nochmals verinnerlichen, der Versuch früh ins Bett (Luftmatratze) zu gehen. Morgen um 6.30 Uhr ist der Start. 4.15 Uhr klingelt der Wecker.

Die Nacht: Ey, bisher alles perfekt! Doch wovon träume ich? Nicht etwa vom nächtlichen Strand des Bodensees, nein, ich träume von Halsschmerzen, Husten verstopfter Nase. Ich wache auf, weil ich vor lauter Erkältung keine Luft bekomme – aber alles nur ein Traum. Außer (jetzt) etwas Schlaf, fehlte mir nichts. Ich bin gut vorbereitet und top fit.

Das Rennen

Raceday: 4.15 Uhr, anziehen, frühstücken, Kaffee und dann langsam zu Fuß die 2 km zur Startlinie marschiert. Wetterprognose: Stabil, heiß, wolkenlos, keine Gewitterneigung. Es ist Vollmond!! – Alles perfekt! Meine Nervosität lässt auch nach. Ich freue mich auf den Lauf. Ich lächle. Was habe ich doch für ein Glück hier sein zu dürfen.

Aletschgeletscher am Morgen 26.30 Uhr Start. Zusammen mit ca. 300 weiteren Läufern, die sich auf die 100 km Runde machen. Direkt nach dem Start geht es bergan. 1.160 Höhenmeter hoch. Wenig laufen, gleich Speedhiking mit kraftvollem Stockeinsatz. Ein wenig schmunzeln musste ich, als ich an meine ersten Läufe denke, da habe ich am Anfang stets viel zu viel Kraft aufgebraucht. Mittlerweile weiß ich „painfully slow“ zu Beginn ist ein Erfolgsrezept. Energie sparen.

Nach dem langen Uphill kam schon ein großes Highlight des Rennens. Die Passage vis-à-vis mit dem Aletsch Gletscher, dem größten Gletscher der Alpen. Ich hielt oft an und machte Fotos. Es war ein Traum hier sein zu dürfen. Große Dankbarkeit erfüllte mich. Dieser Ausblick, das Wetter – alles war perfekt. Ich bin ganz locker gelaufen und lag doch genau in meinem Raceplan. Der erste lange Downhill, sehr flowig zu laufen. Es machte irrsinnig Spaß. Glücksgefühle. Um 13.40 Uhr – nach mittlerweile über 7 Stunden war ich in Reckingen, bereits am vierten Verpflegungspunkt. Die Sonne brannte zwar, sie war bisher aber kein Problem. Ich kühlte mich gut ab und einige Abschnitte der Strecke lagen im Schatten. Bisher alles super und ich war noch exakt in meinem Zeitplan. Jetzt knapp 6 km flach. Hier spielte ich meine läuferische Stärke aus und war nach 33 Minuten -ohne überzogen zu haben- bereits am nächsten VP. Hier lag mein erster Dropbag. Ich zog mir frische Socken an, cremte meine Füße ein, füllte meine Energiegels auf und verpflegte mich gut. Habe ich mich an den anderen VPs maximal neun Minuten aufgehalten, dauert meine Erfrischungspause jetzt etwa 20 Minuten.

Aletschgletscher am Morgen

Jetzt ging es wieder hoch. Erfrischt wollte ich mit kräftigem Stockeinsatz hinauf. Naja, jetzt wurde es etwas anstrengender. Der Uphill war steil. Ich musste leicht kämpfen, um exakt um 16 Uhr am nächsten VP in Chäserstatt anzukommen. Ein kleiner Weiler „in the middle of nowhere“. 16 Uhr noch genau im Zeitplan. Eine große Pause war hier nicht geplant, dennoch ließ ich mir wieder ca. 20 Minuten Zeit, um mich gut zu versorgen. Nach einem kurzen, anspruchsvollem Downhill kam der nächste lange Anstieg. 750 Höhenmeter. Der nächste VP war weit weg. Ich spiele meine Erfahrung aus und füllte eine weitere Trinkflasche mit Wasser.

Der Uphill in einem schattenlosen Hochtal, anspruchsvoll, steil. Im Talboden rauschte ein großer Bach, am Trail jedoch kein winzig kleines Rinnsal. Es war doch schon späterer Nachmittag – bisher machte die Sonne keine Probleme, doch jetzt: kein Luftzug im Hochtal, kein Rinnsal, Temperaturen von über 30 °C und die Sonne brennt doch noch!Berg am Mittag

Berghoch kann ich normalweise gut. Da kann ich meinen kraftvollen Stockeinsatz ausspielen. Doch sukzessive, fast linear mit zunehmender Höhe nimmt meine Kraft ab. Kraftvoll und dynamisch ist mein Stockeinsatz nicht mehr, es geht nicht! Ein Kampf um jeden Schritt. Die Landschaft – weiterhin traumhaft, der Trail – auch schön, doch irgendwie endlos. Dann bin ich oben auf knapp 2.500 m. Ziemlich ausgelaugt. Nun über 1.000 hm wieder runter. Auch dabei bin ich deutlich langsamer als erwartet. Es stellt sich nicht wirklich eine Erholung ein. Fast 4 Stunden (!) nach dem letzten VP bin ich dann in Binn, eine kleine Ortschaft, einige Zuschauer, gute Stimmung. Es ist kurz vor 20 Uhr. Ich bin platt. Kein Appetit. Mit Zwang trinke ich etwas. Der letzte, riesige Anstieg des Rennens liegt direkt vor mir. So geht’s nicht. Ich setze mich auf die Stufen einer Treppe und machte für einige Minuten die Augen zu – oh, das ist herrlich! Danach zwinge ich mich noch etwas Brühe zu trinken. Mittlerweile liege ich deutlich hinter meinem Zeitplan und sogar Plan B (unter 22 Stunden zu bleiben, um das Limit für ein „Western States Los“ zu schaffen) scheint in Gefahr. Also, auf geht’s – weiter!

Berg am nachmittag1.100 hm hoch, fast auf den Gipfel des Breithorns, hinauf zum höchsten Punkten des Rennens, hinauf auf 2.460 m. 65 km habe ich schon geschafft. 14 Stunden und viele Höhenmeter liegen doch schon hinter mir. Mein Headspace ist grundsätzlich zuversichtlich. Trotz guter Gedanken – ich komme nicht voran. Und wieder: mit zunehmender Höhe wird meine Kraft immer weniger. Der Weg ist sehr steil. Jeden Schritt muss ich hochdrücken – so wenig Kraft in den Oberschenkeln. Meine Arm- und Brustmuskeln, wo sind sie? Kaum Unterstützung durch den Stockeinsatz. Die Nacht ist da!

Ich suche nach einer passenden Schublade in meiner Kopf-Kommode. Ein Bild von Ernest Shackleton, einem Polarforscher. Für mich ein magisches Sinnbild für Ausdauer. Was haben die Abenteurer damals geleistet, was hatten die für eine Ausdauer und Psyche – da gab es kein Aufgeben, es gab keine Hilfe, nur Vorwärts. Meine Kraft kommt nicht zurück, aber das Bild hilft dennoch. Mein Kampf ist doch im Vergleich zu dem, was die leisten mussten, nur gefühlt hart. Der Körper kann so viel mehr leisten. Gefühlt bin ich am Ende und doch noch nie so weit vom Aufgeben entfernt! Ich muss da hoch, ich komme da hoch, Schritt für Schritt für Schritt für Schritt …. .

Mitternacht. Vollmond. Die Berge sind zu erkennen. Und ja, ich habe noch einen Blick dafür. Ich bin oben! Noch eine kurze Strecke auf dem Hochplateau, um kurz nach Mittenacht bin ich am höchsten Punkt der Strecke auf 2.460 m. Genau dort ist eine Verpflegungsstation. Lagerfeuer, Pause. Zumindest solange bis ein wenig Appetit kommt. Mit Mühe trinke ich etwas Brühe. Einige Läufer sind hier und genießen den Augenblick. Ich lasse mir Zeit, wieder 20 Minuten zum Durchatmen. Ich bin müde.

In Gedanken gehe ich die restliche Laufstrecke durch. Jetzt kommt ein langer (!) Downhill – 1.400 hm runter – heftig. Unklar wie lange das dauern würde, unklar wie laufbar der ist, unklar was meine Beine gleich sagen werden. Nach dem Downhill beginnen dann die letzten 20 km der Strecke, die 20 km, die ich schon am Donnerstag gelaufen bin. Diese letzten 20 km - für viele Läufer eine Horrorstrecke. Vermeintlich wenige Höhenmeter, im Vergleich zum bisherigen Höhenprofil, aber sehr viele kurze knackige Anstiege und in Summe auch nochmals fast 800 hm. Ich hatte für 15 km am Donnerstag (ausgeruht), fast 2,5 Std. benötigt und da kam erst mein Campingplatz und noch nicht das Ziel. Das kann heute auch gut doppelt so lange dauern (oder noch mehr). Aber jetzt lag ja erstmal der Downhill vor mir - 12 km (!) nur bergrunter.

Um 4.30 Uhr (22 Stunden) lief meine Qualifikationszeit für den Western States ab. Jetzt war es 0:10 Uhr. Über 30 km, mit dem langen Downhill und denl etzten heftigen 20 km lagen vor mir. Etwas traurig, weil die sub 22 nicht mehr real sind, raffe ich mich auf und laufe langsam los. Ein sehr schmaler Forstweg. Nur passierbar mit speziellen Militärfahrzeugen, aber deshalb gab es auf dem höchsten Punkt einen VP, weil er über diesen Weg erreichbar war. Die Steigung war ok, der Untergrund nicht anspruchsvoll.

Und jetzt: man lernt nie aus. War es der wenig anspruchsvolle Untergrund? Die Höhe? Die fehlende Kraft? Die Müdigkeit? Ich bekomme Halluzinationen. Zum ersten Mal in meinen Leben. Unglaublich. Da liegt ein großer Stein auf dem Weg, ich sehe ihn, bleibe stehen, hebe ganzlangsam meinen Fuß, um darüber hinweg zu steigen – nur Einbildung. 20 Minuten lang bleibe ich nach fast jedem Schritt stehen, weil etwas im Weg liegt oder ich ein Loch überspringen muss. Und ich finde kein Hilfsmittel darauszukommen. Ich schlafe nicht ein, meine Augen sind weit offen, ich sehe nur Dinge die gar nicht da sind. Verrückt!!! Ich halte an, sehe keinen Ausweg mehr, als mich hinzusetzen und zu schlafen.

Und dann nehme ich die Kopfhörer aus dem Rucksack. Lautstärke hoch. Der erste Zufallssong: Rammstein. Von einer Sekunde auf die anderen bin ich ein völlig anderer Läufer. Sofort hellwach. Meine Stimmung - wurde eine völlig andere. Ich bin nicht mehr gefangen in den eigenen Gedanken. Bei der lauten Musik kann ich nicht denken - und das ist jetzt ok. Kopf aus, Beine an! Mir geht es gut. Es ist jetzt genau 0:30 Uhr! 4 Stunden bis ins Ziel um die 22 Stunden zu erreichen – haha völliger Unsinn. Aber denken kann ich ja jetzt nicht mehr, bei der lauten Musik. Der Weg ist laufbar und ich laufe und laufe – schnell! Es ist warm, es ist Vollmond! Ich laufe – so schnell ich kann – als wenn nur noch wenige Kilometer vor mir liegen. Ich laufe ohne Pause bis ins Tal zum vorletzten VP, dort wo ein weiterer Dropbag liegt, dort wo eigentlich eine größere Pause mit Umziehen geplant war, um die anspruchsvollen 20 Schlusskilometer zu meistern. Ich nehme den Dropbag und packe ihn in die „benutzt“ Kiste, damit ich nicht als verschollen gelte. Pause? Nein – ich laufe weiter. Jetzt wieder in Talnähe, weiß ich, dass es einzelne Brunnen gibt, wo ich meine Flaschen füllen kann. Energiegels habe ich noch genug dabei.

Ich laufe. Jetzt wieder steile Gegenanstiege, länge Bergaufpassagen. Kraftvoller Stockeinsatz, die Kraft, sie ist da, die Musik spielt immer noch - laut, abwechslungsreich. Energiegels: bei dem Tempo hat der Magen gar keine Chance zu rebellieren.

Ich überhole Läufer – nicht viele, da das Feld sehr weit aus einander gezogen ist, aber keiner läuft mehr – nur ich.

Der letzte Verpflegungspunkt KM 94,6– kein Stopp! Weiter!

Und plötzlich sind die anvisierten 22 Stunden wieder in Reichweite – oder auch nicht? 3 Stunden Vollgas liegen jetzt hinter mir und eine Stunde Vollgas in exakt dem Tempo sind noch erforderlich, um auf die Sekunde um 4.30 Uhr und nach 22 Stunden das Ziel zu erreichen. Nein, sicher konnte ich mir nicht sein. Keine Pause – und noch schneller werden. Wie soll das gehen… .

Hängebrücke101 km sollte der SwissAlps lang sein, 103 km laut GPS Track. Meine Sportuhr ist fast bei 100 km – aber das ist doch noch nicht das Ende der Strecke, ich bin doch noch nicht mal auf der richtigen Talseite. 103 km – die Hängebrücke zur anderen Talseite. 104 km noch ein Gegenanstieg. Was soll das, wo ist das Ziel? Mir läuft die Zeit weg. Die Ansicht meiner Sportuhr zeigt jetzt den Track – nur nicht verlaufen!! Dadurch sehe ich die Uhrzeit nicht. Keine Luft, um die Uhr zu bedienen. Vollgas. Ich bin jetzt im Ort – aber erst auf der Höhe meines Campingplatzes – oh nein – es sind noch weitere 2 km. Die Zeit, sie läuft. Und wieder eine kleine Anhöhe. Ich kann wirklich nicht schneller laufen!

Jetzt kommen mir vor Enttäuschung fast die Tränen. Annähernd 22 Stunden unterwegs, 4 Stunden Vollgas und jetzt komme ich ein paar Sekunden zu spät ins Ziel?

In dem Augenblick, wo ich fast frustriert runterschalte, kommt ein passender Song. Von Kontra K. „Erfolg ist kein Glück, sondern nur das Ergebnis von Blut, Schweiß und Tränen“

Wie passt das denn? Ich laufe weiter – ich schmecke noch kein Blut! Kilometer 106.

Direkt nach dem Song von Kontra K. - Die Toten Hosen mit „Tage wie diese“ ich muss fasst lachen – so unglaublich gut passen die Songs – jetzt muss es doch gut gehen! Ich sehe den Zielbogen - nochmals eine Kurve, um von der richtigen Seite hindurch zu laufen. Ich bin im Ziel!

107 km; 21 Stunden und 51 Minuten – es hat gereicht! Um 4.21 Uhr bin ich im Ziel – und überglücklich und gar nicht so fix und fertig, wie man vermuten könnte. Hormonausschüttung: maximal! Euphorischer Gemütszustand! Ziel

Kurze Pause auf einem Stuhl, dann meine Wechselklamotten geholt und umgezogen. Ich hatte im Dropbag einen Recovery Drink, den habe ich direkt als erstes getrunken. Dann ein Steak vom Grill mit Brot und Kräuterbutter. Meine Getränkeorder hat irgendwie nicht funktioniert, ich bekam das einzige Bier mit Alkohol.

Ausruhen in der milden Morgendämmerung, und dann lag ja noch mein 2 km Fußmarsch zum Zeltplatz vor mir. Da bin ich dann zwischendurch kurz im Stehen eingeschlafen – aber ohne Halluzinationen. Um 6.30 Uhr lag ich im Zelt – umgezogen aber ungeduscht – egal!

Nachbetrachtung

Das Rennen war nicht nur für mich hart. Von 306 Männer und Frauen die am Morgen um 6.30 Uhr losgelaufen sind haben 100 nicht das Ziel erreicht. D.h. über ein Drittel der Athleten haben aufgegeben.

Ich habe mit meiner Zeit von 21:51:31 Stunden Gesamtrang 103 belegt. In meiner Altersklasse hat es zu Platz 6 gereicht. Von den Läufern in meiner AK haben nur 53 % das Ziel erreicht.

Ein paar Statistiken meiner Sportuhr: Schritte: 105.221; Durchschnittliche Pace: 12’13 min/km = 4,9 km/h; Durchschnittlicher Puls: 116; Maximaler Puls: 145

Noch ein wenig Selbstbeweihräucherung: Ab der überwundenen Halluzinationsphase und dem Start meines musikbegleitenden Downhills habe ich exakt 4 Stunden bis ins Ziel gebraucht. Damit war ich genauso schnell wie der Läufer, der auf Gesamtrang 10 (Zielzeit 16:27:34 Stunden) ins Ziel kam. Die letzten 2,5 Stunden meines Rennens war ich exakt so schnell unterwegs, wie der Gesamt Dritte (14:49:17). Also irgendetwas lief am Ende bei mir gut oder irgendwo liegen in den Stunden davor noch Optimierungspotenziale. Zwischenzeitlich hatte ich schon ein Fazit gezogen: 100 km – sind doch zu lang, ich konzentriere mich auf kürzere Distanzen. Jetzt (beim Schreiben dieser Zeilen) packt mich doch schon wieder der Ehrgeiz, beim nächsten Mal eine noch bessere Performance abzuliefern. Mal schauen.

Ein langer Lauf in wunderbarer Natur – das gibt mir sehr viel Kraft und Energie und ist etwas Magisches, gleichzeitig eine Herausforderung für Kopf und Körper und jedes Mal wieder eine Grenzerfahrung. Das Fordernde macht für mich den Reiz aus, ein ganz intensives Erleben. Das ist Leben! Bewegung, vorankommen und die Dinge sehr bewusst machen. Konzentration aufs Laufen, auf den Augenblick.

SwissAlps100 Teaser