von Ralf
Nachdem mich letztes Jahr im August ein Vereinskollege gefragt hat, ob ich Lust hätte eine Rennradtour über 300km mitzumachen, die ich dann auch mit ihm gefahren bin, sagte mir der Freund, dass er die Tour genauso schwer fand wie ein Ironman Triathlon.
Da ich im Schnitt ca. 7000km/Jahr mit dem Rad zurücklege, besitze ich eine recht gute Radgrundlagenausdauer. Somit fielen mir die 300km nicht sonderlich schwer, was mich dann ins Grübeln gebracht hatte, ob der Ironman nicht doch was für mich wäre.
Dann kam im September 2016 die Nachricht, dass Ironman jetzt auch nach Hamburg kommt, was sozusagen direkt vor der Haustür ist. Da ich wusste, dass solche Veranstaltungen wie z.B. Challenge Roth häufig nach einem Tag ausgebucht sind, kam ich in einem extremen Zugzwang.
Nachdem ich mit meiner Frau darüber gesprochen habe und sie nur leicht mit dem Kopf geschüttelt hatte, interpretierte ich das als ein „Ja, mach das doch..."
Mit dem Wissen das ich eine recht gute Radgrundlagenausdauer habe und auch den Bremen Marathon 2014 in 3:25 Std gelaufen bin, habe ich mich beim Ironman Hamburg angemeldet.
Also... 11 Monate Zeit, ab jetzt keinen Alkohol mehr, absolute gesunde Lebensweise und den Winter um die größten Baustellen zu bearbeiten, wobei wir beim Schwimmen sind. Glücklicherweise haben wir beim TSV-Schwarme die Ausdauersparte indem über den Winter 3 Schwimmtrainingseinheiten pro Woche angeboten werden. Zudem wird 2x die Woche allgemeine Athletik angeboten um die notwendige Körperstabilität zu bekommen.
Was sicherlich notwendig ist, wenn das soziale Leben nicht komplett auf den Kopf gestellt werden soll, ist eine vernünftige Zeiteinteilung. Gerade in den Phasen, wo die Umfänge auf 15-20 Trainingsstunden die Woche gingen, hatte ich die langen Läufe vor der Arbeit auf früh morgens ab 4 Uhr geschoben. Die langen Koppeleinheiten (Rad und direkt danach Laufen), welche die letzten 3 Trainingsmonate der Fall waren, waren in meinem Trainingsplan freitags und sonntags. Freitags hatte ich meistens einen halben Tag Urlaub genommen um das Training gleich nach mittags von der Arbeit aus beginnen zu können. Sonntags ging es meistens früh morgens gegen 6 Uhr los, damit ich ab mittags wieder am Familienleben teilhaben konnte.
Nach 11 Monate Training:
8700km Radfahren
1530km Lauftraining,
281km Schwimmtraining
43 Stunden Athletiktraining
Was in der Summe 585 Trainingsstunden ca. 10500 Trainingskilometer entspricht und einen durchschnittlichen Wochenumfang von über 12 Stunden Training, war es endlich soweit.
Das Ironman Wochenende war da. Der Wetterbericht sagte ein verregnetes Wochenende vorher, allerdings außer Sonntag, da sollte die Sonne durchkommen. Wir sind am Freitag angereist, da Freitag die Wettkampfbesprechung war und dort Anwesenheitspflicht herrschte. Am Samstag war Beutel und Radabgabe. Es werden 2 Beutel abgegeben, ein blauer Beutel für den Wechsel vom Schwimmen zum Radfahren und ein roter Beutel vom Radwechsel zum Laufen. Zusätzlich wird aus Sicherheitsgründen bei der Abgabe noch ein Foto vom Zeitfahrrad und Besitzer gemacht. Abends sind wir noch mit Freunden essen gewesen. Eine schöne fettige Pizza, damit die Körper auch schön Wasser einlagert.
Ich hatte mir im Vorfeld eine Rennstrategie zurechtgelegt. Ich wollte den Wettkampf in einem bestimmten Pulsbereich bestreiten. D.h. wenn ich den Pulsbereich unterschreite, könnte ich mehr Tempo machen und wenn ich den Pulsbereich überschreite, müsste ich Tempo rausnehmen. Soweit die Theorie. Da man beim Schwimmen die Pulsuhr nicht im Blick hat, war hier „nach Gefühl" angesagt.
Nach einen total verregneten Freitag und Samstag bin ich Sonntag morgens um 3.30 Uhr aufgestanden um ein normales Frühstück zu mir zu nehmen, damit die Verdauung bis zum Schwimmstart komplett abgeschlossen ist.
Der Schwimmstart war bei einer Wassertemperatur von 18,7°C um 6:40 Uhr für die Profis und ab 6:50 Uhr war ein rollender Start für die 2500 Athleten. Rollingstart bedeutet, dass alle 5 Sekunden 12 Athleten zu Wasser gelassen werden, was das gesamte Feld entspannen soll. Die Zeitmessung startet für den jeweiligen Athleten erst ab den Einstieg ins Wasser. Ich hatte mich im Mittelfeld eingeordnet, da ich mich bei 3,8km auf 1:10 Std einschätzte.
Der Schwimmstart war am Jungfernstieg. Der Kurs ging von der Binnenalster ca. 1,3km raus in die Außenalster und wieder zurück. Dann musste ein kleiner Landgang gemacht werden um anschließend noch einen ca. 1,1km Kurs in der Binnenalster zu schwimmen. Auf den letzten 400m merkte ich, dass sich ein leichter Wadenkrampf ankündigte, woraufhin ich etwas Tempo rausnahm. Ich dachte schon über die Wechselzone nach. Bloß den Neoprenanzug vorsichtig ausziehen, weil man sich dabei schnell ein Krampf in der Wade zuziehen kann.
Nach 1:12:12 Std. bin ich aus dem Wasser gekommen und habe mir bei dem Wechsel viel Zeit gelassen um meine Wade zu schonen.
Nach 8:18 min bin ich dann aus der Wechselzone gekommen um mich mit dem Rad auf dem Weg zu machen. Die Radstrecke war ein 91km Kurs, der von Hamburgmitte, Hafencity über die Köhlbrandbrücke in die Harburger Berge bis runter nach Buchholz ging. Dieser Kurs musste zweimal gefahren werden mit einem Gesamtanstieg von 1200 Höhenmeter. Mein Blick ging sofort auf die Pulsuhr um mich geschwindigkeitsmäßig gleich richtig einzuordnen. Der Puls war natürlich viel zu hoch. Also war Tempo rausnehmen angesagt.
Es war schwer den Puls im gewünschten Bereich zu halten, da das Feld sehr dicht und das Windschattenfahrverbot einzuhalten war. Es ist Pflicht einen 10m Abstand zum Vordermann zu halten. Wird man überholt ist der Überholte in der Pflicht den Abstand zum Vordermann wieder herzustellen. Wenn aber ein dichtes Feld um einen herum ist, wird man förmlich nach hinten durchgereicht, wenn man sich Regelkonform verhält. Da sich nicht unbedingt jeder an dieser Regel gehalten hatte, sah ich für mich nur die Möglichkeit mehr Tempo zu machen um mich nicht überholen zu lassen und die Flucht nach vorne anzutreten. Das hat natürlich unheimlich Spaß gemacht, zumal noch genug Kraftausdauer vorhanden war. Aber mit der Zeit dachte ich immer kritischer über den anstehenden Marathon nach, denn mein Puls war um einiges höher als geplant. In der zweiten Runde hatte sich nicht viel geändert, da das Feld immer noch sehr dicht war. Nach 5:10:40 Std bin ich von der Radstrecke wieder in die Wechselzone gefahren. Das Rad schnell weggestellt und weiter gelaufen zum Beutelständer um den Beutel mit den Laufsachen zu holen.
Als ich direkt vor dem Beutelständer stand, traute ich meinen Augen nicht. An dem Haken mit meiner Startnummer hing kein Beutel. Völlig außer mir fragte ich eine Ordnerin wo denn mein Beutel sein kann. Die nette Frau rief sofort eine Kollegin mit der sie nach meinen Beutel suchte. Mir liefen in dem Moment tausend Sachen durch den Kopf wie ich es anstellen könnte mit dem Laufen fortzusetzen. Ich hatte in dem Straßenkleidungsbeutel, den ich morgens vor dem Schwimmen abgegeben hatte, noch ein zweites Paar Laufschuhe. Aber wie sollte ich da rankommen. Langsam setzte ich mich mit dem Gedanken auseinander, dass für mich das Rennen hier zu Ende ist, als eine der freundlichen Damen rief, dass sie den Beutel gefunden hatte.
Sie gab mir den Beutel und ich bedankte mich, während ich schon weiter zum Umkleidezelt lief.
Irgend ein Kollege hatte anscheinend meinen Beutel genommen, gemerkt das die Schuhe nicht passen und hat meinen Beutel irgendwo wieder hingehängt, Na schönen Dank auch...
Mit dem festen Vorsatz mich auf jeden Fall ab jetzt an die geplanten Pulsbereiche zu halten, verließ ich nach 6 Minuten die Wechselzone zur Laufstrecke. Die Laufstrecke war ein 10,5km Kurs entlang der Binnen und Außenalster mit Wendepunkt und wieder zurück zum Rathausplatz und das 4 Runden. Nachdenklich darüber, ob ich auf der Radstrecke zu viele Körner verbraucht hatte und sich das in der zweiten Marathonhälfte rächen würde, lief ich in einem sehr guten Rhythmus los. Da die Pulswerte jetzt sehr gut aussahen, konnte ich sogar etwas schneller laufen als ich im Vorfeld gedacht hatte. Dann lief ich das erste Mal an meinem Fanclub(Familie und Freunde mit Transparent „Go Ralli Schmerz vergeht, Stolz bleibt") vorbei. Das war so ein außerordentlich schöner Moment. Diese kritischen Gedanken über Pulswerte ab Kilometer 30, waren plötzlich weg und ich freute mich auf die nächste Runde. Nach der ersten Runde hatte sich rausgestellt, dass ich an 4 unterschiedlichen Stellen Anfeuerungsrufe bekam. Diese Unterstützung hat einen mit so viel positiver Energie befeuert, dass ich zwar auf meinen Puls geachtet, aber nicht mehr negativ drüber nachgedacht hatte.
Ich kann mich sehr gut an das Kilometer 30 Schild erinnern. Dort dachte ich die Oberschenkel sind ja ein bisschen in Mitleidenschaft, aber der Blick auf die Pulsuhr sagte mir „Na und... die Motorkontrollleuchte leuchtet grün" und das im gleichen Tempo wie beim Marathonstart.
Nach dem Kilometer 37 Schild habe ich alle Kontrollgedanken eingestellt und ganz bewusst alle Eindrücke in mich aufgesogen. Das war ein großartiges Gefühl in so einer so guten Verfassung nach 37 Kilometer zu sein. Ich habe alle Kinder, die ihre Hand hin hielten abgeklatscht und bin nur noch lächelnd und gut gelaunt Richtung Ziel gelaufen. Ich habe ungefähr 8 Stunden darüber nachgedacht wie schrecklich wohl die letzten 5 Kilometer sein werden und letztendlich waren es die Schönsten, die ich je gelaufen bin. Ich glaube das war der viel besagte Runnershigh...
Nach 10:04:42 Std. bin ich dann überglücklich ins Ziel gekommen. Ich bin im nach hinein mehrfach gefragt worden, ob ich mich über die 4 Minuten ärgere! Nein... überhaupt nicht, ich freue mich das ich es überhaupt geschafft habe und über die 56 Minuten die ich unter 11 Stunden geblieben bin.